Auseinandersetzungen über Fakten können ermüden, wenn beide Seiten absolut davon überzeugt sind, die Fakten genau zu kennen und exakt benennen zu können. Vielleicht haben Sie es auch schon erlebt, dass auf solche Weise ausgetragene Konflikte Beziehungen beeinträchtigen. Fakten können ihre Tücken haben und sind nicht immer geeignet, andere zu überzeugen. Da meiner Erfahrung nach in Gesprächen oft auf die vermutete Überzeugungskraft von Fakten zurückgegriffen wird, kann es sich lohnen, die Grenzen dieser Kraft zu kennen.
Interessant sind vor diesem Hintergrund Erkenntnisse darüber, dass Fakten nicht unbedingt aufklären.
Gelerntes Wissen über einen Sachverhalt kann wieder verdrängt werden
Angenommen, Sie hören wie im obigen Comic von einem Ereignis, worauf Sie eine Vermutung über einen Aspekt des Sachverhaltes entwickeln. Im Beispiel ist das Ereignis der Lagerhallenbrand und die Rauchentwicklung der Teil, über den Sie eine Vermutung entwickeln. Da Farben erwähnt wurden, kommen Sie auf die Idee, dass diese am Brand beteiligt gewesen und für den Rauch verantwortlich sind. Eine nachfolgende Information berichtigt die Behauptung mit den Farben, ohne dass sie eine neue Erklärung für den Aspekt präsentiert. Die Tatsache, dass gar keine Farben vorhanden waren, ist für Sie glaubhaft und Sie können dieses Wissen auf Nachfrage auch abrufen. Eine Erklärung für die Rauchentwicklung existiert in den vorhandenen Informationen aber weiterhin nicht. Wenn Sie jetzt jemand nach dem Grund dafür fragt, dann greifen Sie möglicherweise wieder auf die alte Vermutung zurück. Sie geben dann an, dass Farben für die Rauchentwicklung verantwortlich sind.
Wie schnell so etwas im Arbeitsalltag Relevanz gewinnen kann, wird vielleicht an folgender Situation deutlich. Stellen Sie sich einmal vor, eine Arbeitskollegin meldet sich krank. Als der Chef davon erfährt, teilt eine andere Mitarbeiterin mit, dass der Ehemann der abwesenden Kollegin am heutigen Tag Geburtstag hat. Der Chef vermutet nun, dass die Mitarbeiterin blau macht. Wenig später erfährt er, dass der Ehemann an diesem Tag gar nicht Geburtstag hat. Der ist erst einen Monat später. Auch wenn die Grundlage für die Vermutung wegfällt, kann es jetzt passieren, dass der Chef weiterhin glaubt, die Mitarbeiterin mache blau. Es wird in einem Gespräch dann schwierig, den Chef davon zu überzeugen, dass eine Krankheit vorlag.
In Gedanken einen Schritt zurücktreten
Bei Auseinandersetzungen mit anderen Menschen können Sie sich das klarmachen. Denn Fakten können ihre Tücken haben. Sowohl Sie als auch der andere sind vielleicht davon betroffen und betrachten eine Vermutung als Fakt. Halten Sie einen Moment inne und überprüfen Sie Ihre Emotionen. Fühlen Sie Ärger, Wut oder Unmut? Dann hilft es Ihnen vielleicht, wenn Sie in Gedanken einen Schritt zurücktreten. Jetzt gewinnen Sie Ruhe und können die Aspekte noch einmal mit Abstand betrachten. Stimmt alles tatsächlich, was Sie als Fakt ansehen? Liegt in den Aussagen Ihres Gegenübers eine Wahrheit? Auch wenn Sie tatsächlich etwas richtig stellen können, wird es einen Nutzen haben? So erhöhen Sie meiner Ansicht nach die Chance auf nützliche Gespräche. Diesen Teil können Sie selbst entscheiden.
Der Text und der Comic basieren auf einer Untersuchung der Psychologinnen Hollyn M. Johnson und Colleen M. Seifert. Ihre Arbeit veröffentlichten sie 1994 im “Journal of Experimental Psychology: Learning, Memory and Cognition”.
Veröffentlichung von Hollyn M. Johnson und Colleen M. Seifert mit dem Titel:
“Sources of the Continued Influence Effect: When Misinformation in Memory Affects Later Inferences“
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