Fakten – Wiederholungen können die Gegenmeinung stärken

Kennen Sie die Situation, dass Sie eine Meinung hören und die Aussage richtig stellen möchten? Dabei kann folgendes passieren: Sie nennen Fakten und Ihre Wiederholungen der Gegenmeinung können diese dann stärken.

Der Impuls, abweichenden Meinungen entgegen zu treten, ist unterschiedlich groß. Am wahrscheinlichsten wird er, wenn die Aussage einer anderen Person Ihrer Ansicht nach den Fakten widerspricht.

Ziele können in manchen Situation ohne Faktendiskussion erreicht werden

Der Versuch, einen Menschen zu überzeugen, kann jedoch den entgegengesetzten Effekt haben. Wenn Sie das wiederholen, was Sie korrigieren möchten, dann schwindet die Überzeugungskraft Ihrer Argumente und Fakten in manchen Fällen. Gleichzeitig kann die Auseinandersetzung um Fakten in einen Wettbewerb darüber münden, wer recht hat. Daher lohnt es sich, zu prüfen, wie hilfreich argumentieren gerade ist. Denn in manchen Situationen brauchen Sie das für eine effektive Lösung gar nicht. Denn die Gefahr bei Fakten ist, dass Wiederholungen der Gegenmeinung diese stärken können.

Beispiel: Faktencheck zu den Grünen

In den letzten Monaten kursierten diverse Aussagen zu den Grünen, die wiederum per Faktencheck widerlegt wurden. Hier zeigt sich beispielhaft, was ich meine.

Auf der Webseite correctiv.org geht Steffen Kutzner am 07. Mai in der Rubrik Faktencheck auf Meldungen zu einem vermeintlichen Zitat von Annalena Baerbock ein. Auf seine Nachfrage bei der Pressestelle der Grünen sei ihm mitgeteilt worden, dass Baerbock die Aussage nicht gemacht habe. Bei einer Google-Suche konnte er keinen Beleg finden, dass die Aussage je getroffen wurde. Gleichzeitig korrigiert er die Bezeichnung „Witwenrente“ aus der Meldung, weil es sich eben um eine Witwen- und Witwerrente handelt. Sie kommt der jeweils hinterbliebenen Person unabhängig von Ihrem Geschlecht zu Gute.

Wer sich tatsächlich dafür interessiert, ob das Zitat aus dem Munde Baerbocks stammt, kann über solche Faktenchecks hilfreiche Informationen erhalten. Das gilt auch für andere Meldungen.

Gleichzeitig informiert sich ein Teil der Menschen, ohne so etwas wie das oben erwähnte Zitat überprüfen zu wollen. Das bedeutet sie nehmen einfach alles war, was in der jeweiligen Informationsquelle zu sehen und zu lesen ist. Dabei filtern sie die Informationen nach Ihren Voreinstellungen und nehmen nur einen Teil auf. Das betrifft alle Menschen. Wobei der Effekt je nach Thema unterschiedlich stark auftritt.

Die größte Schwäche eines Faktenchecks: Sie verbreiten die Gegenmeinung weiter

Und hier offenbaren die Faktenchecks ihre große Schwäche.

Denn wenn ich etwas widerlegen möchte, dann ist es notwendig, genau das auch zu nennen, was ich widerlegen möchte. Ansonsten wüsste ja niemand, worüber überhaupt gesprochen oder geschrieben wird.

Um zu erhärten, dass die zu widerlegende Meldung überhaupt existiert, wird die Quelle oft angegeben. Im obigen Beispiel ist im Correctiv-Faktencheck ein Screenshot des auf Facebook gefundenen Bildes mit dem Zitat zu finden.

Sie können einmal bei sich selbst überprüfen, welche Wirkung eine solche Wiederholung haben kann:

Versuchen Sie sich einfach bildhaft vorzustellen, dass sich in Ihrer Küche kein rosa Elefant aufhält. Versuchen Sie bitte, sich so intensiv wie möglich in das Bild „kein rosa Elefant“ zu vertiefen.

Wenn Sie jetzt doch irgendwie mal das Bild eines rosa Elefanten im Kopf hatten, dann haben Sie eine Vorstellung von der Wirkung der Wiederholung.

Fakten – Wiederholungen können die Gegenmeinung stärken

So wie ich es oben im Comic illustriert habe, besteht daher eine Wahrscheinlichkeit, dass die Wiederholung der korrekturwürdigen Aussage einen anderen als den beabsichtigten Effekt hat. Das was Sie eigentlich widerlegen möchten setzt sich umso stärker fest. Es bleibt als Bild in den Köpfen so vieler Menschen bestehen, dass Ihr Faktencheck die gegenteilige Meldung in ihrer Wirkung unterstützt.

Ein offener Austausch über Argumente ist meiner Erfahrung nach selten

Der hier beschriebene Effekt ist in jeder Diskussion möglich. Das bedeutet, dass es sich aus meiner Sicht nur in bestimmten Situationen lohnt, Argumente auszutauschen. Das ist der Fall, sobald Ihr Gegenüber bereit ist, seine eigene Sichtweise zu überprüfen. Und das kommt nach meiner Erfahrung selten vor.

Schauen Sie sich einfach einmal ganz bewusst Ihre eigene Reaktion auf eine abweichende Meinung zu einem Thema an, wenn Sie von Ihrer voll und ganz überzeugt sind?

Ist Ihre erste Reaktion dann tatsächlich „Oha, da überprüfe ich meine Überzeugung einmal“?

Angenommen, Sie mögen die Person zusätzlich nicht, die Ihnen da etwas Entgegengesetztes erzählt?

Ziele können Sie auch jenseits einer Faktendiskussion im Blick halten

Der zweite wichtige Punkt ist, dass es oftmals für den eigenen Zweck vollkommen unnötig ist, in die Diskussion einzusteigen.

Angenommen Sie befinden sich in einer Diskussion mit mehreren Personen. Darin geht es darum, inwieweit ein bestimmter Ansatz ein gewünschtes Ziel erreicht. Das könnte beispielsweise eine Softwarelösung und ihre Wirksamkeit innerhalb der betrieblichen Abläufe sein. Das kann auch im privaten Bereich die Frage sein, mit welcher Methode sich am wirksamsten Kaninchen aus dem eigenen Garten fern halten lassen.

Ich bleibe hier einmal bei der Softwarelösung und nehme weiter an, dass ein Teilnehmer in der Besprechung eine Statistik erwähnt, von der Sie wissen, dass die Zahlen so nicht passen. Gleichzeitig trifft dieser Diskussionsbeitrag auf hohe Resonanz.

Jetzt können Sie natürlich anfangen, die aus Ihrer Sicht falschen Zahlen ins Feld zu führen und zu widerlegen. Nur dann ist es möglich, dass sich genau der oben beschriebene Effekt zeigt. Im Ergebnis bliebe die Resonanz für die falschen Zahlen weiterhin hoch. Selbst wenn man glaubt, was Sie mitteilen, ändert sich unter Umständen nichts. Denn das Bild der falschen Zahlen setzt sich fest. Ihre Diskussionspartner*innen zweifeln an dem, was Sie mitteilen möchten.

Ziele erreichen statt “Recht haben” zu verfolgen

Ich vermute an, dass Ihr erstes Ziel während einer solchen Besprechung nicht ist, „Recht zu haben“. Sie möchten wahrscheinlich das Unternehmen voranbringen und die Potenziale ausschöpfen. Gleichzeitig möchten Sie einen Beitrag dazu leisten, der wahrgenommen wird. Als Führungskraft möchten Sie vielleicht, dass die Belegschaft Vertrauen in die neue Softwarelösung hat und dafür brauchen Sie das volle Engagement der jeweiligen Teamführung.

Nun für diese Ziele brauchen Sie sich nicht mit der Statistik auf eine Weise beschäftigen, dass Sie sie widerlegen. Sie können vielmehr die besagten Zahlen als eine Sichtweise auf das Thema anerkennen und mitteilen, dass es noch andere Blickwinkel gibt. Kurz und Gut. Sie können sich auf Ihre eigentlichen Ziele konzentrieren, die über der Faktenfrage schweben.

Zu weiteren Überlegungen wie sich Ansichten und Meinungen bilden und erhalten siehe auch diesen Artikel in der NZZ.

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Fakten – Vermutungen können gelerntes Wissen verdrängen

Auseinandersetzungen über Fakten können ermüden, wenn beide Seiten absolut davon überzeugt sind, die Fakten genau zu kennen und exakt benennen zu können. Vielleicht haben Sie es auch schon erlebt, dass auf solche Weise ausgetragene Konflikte Beziehungen beeinträchtigen. Fakten können ihre Tücken haben und sind nicht immer geeignet, andere zu überzeugen. Da meiner Erfahrung nach in Gesprächen oft auf die vermutete Überzeugungskraft von Fakten zurückgegriffen wird, kann es sich lohnen, die Grenzen dieser Kraft zu kennen.

Interessant sind vor diesem Hintergrund Erkenntnisse darüber, dass Fakten nicht unbedingt aufklären.

Gelerntes Wissen über einen Sachverhalt kann wieder verdrängt werden

Angenommen, Sie hören wie im obigen Comic von einem Ereignis, worauf Sie eine Vermutung über einen Aspekt des Sachverhaltes entwickeln. Im Beispiel ist das Ereignis der Lagerhallenbrand und die Rauchentwicklung der Teil, über den Sie eine Vermutung entwickeln. Da Farben erwähnt wurden, kommen Sie auf die Idee, dass diese am Brand beteiligt gewesen und für den Rauch verantwortlich sind. Eine nachfolgende Information berichtigt die Behauptung mit den Farben, ohne dass sie eine neue Erklärung für den Aspekt präsentiert. Die Tatsache, dass gar keine Farben vorhanden waren, ist für Sie glaubhaft und Sie können dieses Wissen auf Nachfrage auch abrufen. Eine Erklärung für die Rauchentwicklung existiert in den vorhandenen Informationen aber weiterhin nicht. Wenn Sie jetzt jemand nach dem Grund dafür fragt, dann greifen Sie möglicherweise wieder auf die alte Vermutung zurück. Sie geben dann an, dass Farben für die Rauchentwicklung verantwortlich sind.

Wie schnell so etwas im Arbeitsalltag Relevanz gewinnen kann, wird vielleicht an folgender Situation deutlich. Stellen Sie sich einmal vor, eine Arbeitskollegin meldet sich krank. Als der Chef davon erfährt, teilt eine andere Mitarbeiterin mit, dass der Ehemann der abwesenden Kollegin am heutigen Tag Geburtstag hat. Der Chef vermutet nun, dass die Mitarbeiterin blau macht. Wenig später erfährt er, dass der Ehemann an diesem Tag gar nicht Geburtstag hat. Der ist erst einen Monat später. Auch wenn die Grundlage für die Vermutung wegfällt, kann es jetzt passieren, dass der Chef weiterhin glaubt, die Mitarbeiterin mache blau. Es wird in einem Gespräch dann schwierig, den Chef davon zu überzeugen, dass eine Krankheit vorlag.

In Gedanken einen Schritt zurücktreten

Bei Auseinandersetzungen mit anderen Menschen können Sie sich das klarmachen. Denn Fakten können ihre Tücken haben. Sowohl Sie als auch der andere sind vielleicht davon betroffen und betrachten eine Vermutung als Fakt. Halten Sie einen Moment inne und überprüfen Sie Ihre Emotionen. Fühlen Sie Ärger, Wut oder Unmut? Dann hilft es Ihnen vielleicht, wenn Sie in Gedanken einen Schritt zurücktreten. Jetzt gewinnen Sie Ruhe und können die Aspekte noch einmal mit Abstand betrachten. Stimmt alles tatsächlich, was Sie als Fakt ansehen? Liegt in den Aussagen Ihres Gegenübers eine Wahrheit? Auch wenn Sie tatsächlich etwas richtig stellen können, wird es einen Nutzen haben? So erhöhen Sie meiner Ansicht nach die Chance auf nützliche Gespräche. Diesen Teil können Sie selbst entscheiden.

Der Text und der Comic basieren auf einer Untersuchung der Psychologinnen Hollyn M. Johnson und Colleen M. Seifert. Ihre Arbeit veröffentlichten sie 1994 im “Journal of Experimental Psychology: Learning, Memory and Cognition”.

Veröffentlichung von Hollyn M. Johnson und Colleen M. Seifert mit dem Titel:

Sources of the Continued Influence Effect: When Misinformation in Memory Affects Later Inferences

Wenn Sie Ihr Konfliktverhalten weiterentwickeln möchten, dann informieren Sie sich auch über mein Coaching– und Mediationsangebot.